Warum cis Männer keine trans Frauen spielen sollten

Esther Brunner
be queer!
Published in
3 min readSep 15, 2016

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Aufruhr in Hollywood: Als bekannt wurde, dass Mat Bomer im soeben fertig gedrehten Film «Anything» eine trans Sexarbeiterin spielt, rollte ein Sturm der Entrüstung über den Schauspieler und den Produzenten Mark Ruffalo. Jen Richards, selber Schauspielerin und Transfrau bringt in einem Twitter-Thread die Gründe vor, warum in Filmen trans Frauen nicht durch cis Männer gespielt werden sollten.

Trans Menschen spielen die Story überzeugender

Zum einen würden trans Menschen die Rollen von trans Charakteren schlicht besser informiert, subtiler und authentischer spielen:

Eddie Redmayne (Lili in «The Danish Girl»), Jeffrey Tambor (Maura in «Transparent») und Jared Leto (Rayon in «Dallas Buyers Club») seien zwar grossartige Schauspieler, aber es gäbe eben doch einen entscheidenden Unterschied: Diese männlichen Schauspieler, die trans Frauen spielen, kämen beim cis Publikum so gut an, weil sie eine Geschlechterrolle spielen. Das stosse auf Resonanz, weil es der weit verbreiteten Meinung entspreche, dass Trans auch nur ein Rollenspiel sei. Demgegenüber würden Transmenschen in trans Rollen die Geschichte spielen.

Es gibt durchaus trans Schauspieler’innen in Hollywood, viele sogar. Die aktuelle Ausgabe des Magazins «Out» mit dem Titel «Hollywoods Trans Formation» ist voll von Erfolgsgeschichten.

Rollenspiel im Film, Gewalt im richtigen Leben

Der andere, und wichtigere, Punkt sei, dass es fatale Auswirkungen habe: Wenn cis Männer trans Frauen spielen, führe das zu Gewalt und Mord an trans Frauen:

Sie begründet diese starke Aussage folgendermassen: In jahrelanger Auseinandersetzung mit Gewalt an trans Frauen und Gesprächen mit Überlebenden habe sie ein Muster erkannt: Heterosexuelle Männer fühlten sich von trans Frauen angezogen. Das sei schon immer so gewesen und auch der Grund für die überproportionale Popularität als Sexarbeiterinnen:

Gleichzeitig fühlten sich diese Männer (oder zumindest einige davon) in ihrer Männlichkeit verunsichert, wenn sie Sex mit einer trans Frau haben. Weil sie im Grunde glauben, trans Frauen seien «eigentlich» als Frauen verkleidete Männer, bestrafen sie uns trans Frauen für ihre internalisierte Schwulenfeindlichkeit:

Was Jen Richards beschreibt, ist leider bittere Realität. Jedes Jahr werden weltweit mehrere 100 trans Menschen, fast ausschliesslich Frauen, ermordet. Besonders Sexarbeiterinnen sind besonders gefährdet. Am 20. November gedenken trans Menschen und unsere Verbündete am Transgender Day of Remembrance den Opfern von transphober Gewalt. Insofern ist es fahrlässig, in einem Film, ausgerechnet über eine Sexarbeiterin, die Rolle der Transfrau von einem cis Mann spielen zu lassen. Der Film wird einmal mehr das Klischee in den Köpfen wieder aufleben lassen, dass es bei Trans um Rollenspiel und Verkleidung gehe. Dieses Klischee ist zusammen mit Homophobie ein tödliches Gift!

Ich gehe in diesem Text nicht darauf ein, dass daneben auch der klischeehafte Zusammenhang zwischen trans Frauen und Sexarbeit perpetuiert wird. Der fertige Film wird zeigen, wie das Thema dargestellt wird.

Lernbereitschaft signalisiert

Der Shitstorm verhallte nicht ungehört. Der Produzent Mark Ruffalo meldete sich zu Wort und signalisierte Lernbereitschaft:

Genau, es ist an der Zeit!

Alle Menschen können alle Rollen spielen, davon bin ich überzeugt. Nur manchmal gibt es gute Gründe, bestimmte Rollen nicht durch Vertreter der dominanten Gesellschaftsschicht (in der Regel weisse Männer) zu besetzen. Genauso wie «Blackfacing» zu Recht in Verruf geraten ist, gilt es «Drat» (statt Drag: Dressed as Trans») durch cis Männer zu vermeiden. Selbst wenn «N***r» und «Transen» nicht stereotyp als Lachnummer dargestellt werden, so wird doch der Erfahrungsreichtum und die Darstellungskompetenzen benachteiligter Gruppen ignoriert und durch ein Bild ersetzt, das mehr den gängigen Klischees entspricht.

Abgesehen davon: Wenn schon müssten trans Menschen cis Menschen spielen. Fast alle trans Menschen haben jahrzehntelange Erfahrung, ein anderes als ihr empfundenes Geschlecht zu spielen. Sie haben es aus verständlichen Gründen ungern gemacht, aber überzeugend in der Rolle des zugewiesenen Geschlechts waren doch fast alle.

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User Interface Developer und Spezialistin für Inclusive Design bei @zeix, queer-feministische Denkerin und Aktivistin, schreibt für @be_queer (sie/ihr)